Wir verwenden Cookies zur Analyse, Werbung und zur Verbesserung unserer Website. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Part 6 - Flussfahrt mit Hindernissen

Hier fährt es sich gut, jetzt - kurzer Nachtrag - wo man herausgefunden hat, dass es sich ohne Helm am besten fährt. Die Gummimaske für Hals und Mund, Wollmütze auf dem Kopf. Drüber die Kapuze. Schutzbrille? Keine. Ob Doppelglas oder sogar Ventilator, der Temperaturunterschied ist zu groß, da läuft jede Brille sofort an. Auch hier leistet der Canada Goose Resolute Parka Großes: dank tunnelartig verengbarer Kapuze, umrandet von einem Koyotenfell - da bleibt die Kälte eingeschüchtert draussen. Naja nicht ganz: die Atemluft, die Temperatur, da bildet sich dann doch das eine oder andere Eiskristall innerhalb der Kapuze. Und trifft sich mit anderen im Gesicht, gerne da, wo Haare sind. Also – von Bärten mal abgesehen - an Augenbrauen und Wimpern. Und so sammelt sich unbemerkt immer mehr Eis – bis die Augen zugefroren sind. Ist aber immer noch besser als eine innenvernebelte Brille. Der Ritt auf dem Eis macht technisch keine allzugrossen Probleme mehr - nur die Lenkung der Panhead wird mit jeder Meile, besser, gesagt mit jedem Grad Kälte mehr immer schwergängiger. Als hätte jemand statt Fett Kaugummi reingedrückt. Aber warum nur die Panhead und nicht auch die Shovelhead?

Kurz überlegt: Die Panhead hat noch klassische Kugellager, also echte Kugeln, die sehr viel Fett brauchen und wenn das dann kalt und zäh wird: viel Spaß! Zum Beispiel, wenn das Vorderrad wieder in eine der breiten Rillen rutscht. Doch sind die teilnehmenden Wrecker ausgebuffte Fahrer. Sie kennen ihre Maschinen und spulen die Meilen ab, als wären sie auf einer fahrzeugfreien Autobahn unterwegs. Was sie ja irgendwie auch sind: 30 Meter breite Fahrbahn, Verkehr findet hier kaum statt, ab und zu ein dicker Pickup, hin und wieder ein Truck mit Benzin oder Lebensmitteln. Weiter geht’s den Mackenzie hoch. Die Bäume werden größer, die Ufer höher – doch bevor sich womöglich ein Hauch von winterlichem Schwarzwald breit macht, taucht ein Hafen auf. Also das, was man im arktischen Winter von einem Hafen sehen kann. Schiffe. Festgebacken im Eis. Und zwischen den Schiffen hindurch: die Wrecking Crew mit den Big Twins. Hafen – das heißt aber auch, dass es nicht mehr weit ist, bis Inuvik. Und damit auch nicht mehr lange bis zu unserem Abschied von der Ice Road. Also noch ein kurzer Stopp auf der Ice Road. Bisschen fotografieren, bisschen tanken - und bisschen Öl: Peters Pan tropft. Wenig, aber tropft. Beim Versuch, das Öl aufzunehmen, wird noch mal klar, wie kalt es ist: Aus dem Tropfen Öl wurde mit dem Auftreffen auf dem Eis ein Lakritzbonbon. So zäh, das wir es nur mit Hilfe eines gezückten Messers überhaupt vom Eis kriegen.

Ein weiteres Kältephänomen, das uns auch bei diesem Stopp erst so richtig klar wird: selbst nach den zwei Stunden Ritt über’s Eis sind Motor, Ölpumpe und Auspuff kaum mehr als angenehm temperiert. Mit bloßen Händen anfassen: kein Problem. Die Hände wärmen? Nein, viel zu kalt, da ist es im Handschuh wärmer. Das Ölproblem legt nahe, zügig die Werkstatt aufzusuchen. Dort wird schnell die Rockerbox als Ölübeltäter identifiziert: die Korkdichtung zieht sich offensichtlich bei Kälte zu stark zusammen. OK, man kann’s ihr nicht verdenken, aber muß etwas tun. Schließlich wollen wir weiter, zum Dempster Highway. Damit ist klar: bevor es morgen weiter geht, erst mal Silikon besorgen, um die Rockerbox wieder dicht zu kriegen. Davor liegt aber noch eine Nacht. Und damit ein dickes Steak, ein paar Biere aus einheimischer Produktion und ein gepflegter Schlummer im Mackenzie Hotel, Inuvik, N.W.T., Kanada.

Frühstück ab sieben, dann: packen und die ganze Ladung in den Support Truck. Kurz nach neun dann der Besuch im örtlichen Fachhandel für alles. Gezielter Erwerb von Silikon. Abdichten der Rockerbox, Tanks wieder dran. Es kann losgehen. Noch eine Ehrenrunde durch Inuvik und dann ist das Kapitel Ice Road beendet. Wir waren am anderen Ende der Straße, wir haben gefroren, gestaunt, geflucht, geschraubt, geknipst und gefilmt. Und wir werden nur ganz schwer erklären können, wie es war. Die Kälte, die Weite, das Licht, Landschaft, Menschen, Erlebnisse - wir werden es vermissen. Vielleicht erst in ein paar Wochen, vielleicht auch schon, wenn wir jetzt den Dempster Highway runterfahren. Durch die Richardson Mountains, Richtung Süden. Es gibt ja immer irgendwo ein anderes Ende der Straße.