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Teil 10 - Können Harleys schwimmen? (Rio Grande - Ushuaia)

Teil 10 - Können Harleys schwimmen? (Rio Grande - Ushuaia)

Am nächsten Tag lotst eine schlaglochgespickte Ruta 3 die Patagonischen Reiter in einen Feenwald: windgepeitschte Bäume, Äste in allen Grün und Grautönen, von feinen grünschimmernden Flechten überwuchert, tief hängende Wolken, Nebelfetzen, durch die Sonnenstrahlen huschen. Warum haben die hier nicht „Herr der Ringe“ gedreht, wo doch der nächste Ort Tolkin heißt. Gute Gelegenheit, nochmal zu tanken und dann wieder Ende des Asphalts.

Weiter geht‘s durch eine Staubhölle. Seit Tagen kein Regen und ausnahmsweise fast kein Wind, jedes Fahrzeug wirbelt gigantische Staubwolken auf, die ewig über der Straße stehen bleiben. Die Piste führt über den alpin aussehenden Paso Garibaldi und die Anzüge sehen bald aus wie gepudert. Erst 40 km vor Ushuaia beginnt wieder Asphalt. Friedlich brummelnd schwingen die Bikes vom Pass ab runter ins Tal und dann liegen sie vor uns, der Beagle-Kanal, und ringsum von schneebedeckte 2000ern umgeben: Ushuaia. Angekommen. Am Ziel. Endlich: jetzt gibt‘s das südlichste Bier der Welt. Aber die große Euphorie kommt nicht auf, eher Ernüchterung, denn jetzt ist ja irgendwie schon wieder alles vorbei.

Später geht‘s zum Campingplatz „Rugby Club“, wo sich angeblich alle Biker treffen. Aber die 4 Patagonischen Reiter sind die einzigen. Auch gut. Dann ist immherin der schönste Zeltplatz frei, direkt am Ufer des Rio Pipo. Es gibt Grillwürstchen und Bier. Der Fluss rauscht ein Schlaflied.

Ein paar Tage sind noch übrig und ein paar Ideen: mit den Bikes auf die Insel Navarino oder mit dem Flugzeug in die Antarktis. Flüge gibt es wohl keine, aber Tommy findet einen Skipper mit Segelschiff, das groß genug ist für die Bikes. Einziges Problem sei die Ausreise. Da sei ein Besuch beim chilenischen Konsul notwendig. Geht natürlich erst am Montag. Bis dahin kommen erstmal ein paar Steaks auf den Grill. Die restliche Wartezeit übers Wochenende füllt ein Besuch im Nationalpark Lapataia. Wie schon in den letzten Tagen knallt der Himmel blau und die Sonne lässt die Flüsse und Seen glitzern, von den Cordilleren leuchten Schneeflächen. Mit 28°C erleben Einheimische und Touristen den wärmsten Tag seit 92 Jahren in Ushuaia.

Es wird Zeit, sich um den Rücktransport der Maschinen zu kümmern. Wieder mal hakt es an den Papieren. Doch ein bisschen Telefonieren hilft.

Das Treffen mit dem Konsul ist kurz: Insel Navarino? Kein Problem: hinfahren, einreisen, fertig. Bezweifelt wird eher, ob wir das Ziel Puerto Toro errreichen können, was da hin führt sei „höchstens ein Weg“. Das kann doch einen patagonischen Reiter nicht erschüttern. Auf geht‘s, Überfahrt: Skipper Mono will die Bikes auf sein Segelschiff „Mago del Sur“ (Zauber des Südens) verfrachten, Preis für den Trip: 2000 USD. Ziemlich happig, aber man ist ja nicht jedes Wochenende hier. Wir müssten einfach zum Jachthafen kommen. 18 Uhr: Der Jachthafen ist ein L-förmiger Holzsteg mit losen Planken. Außerdem liegt Monos Schiff in der dritten Reihe. Von den anderen Bootsbesitzern keine Spur. Also erstmal Pizza essen. Bei der Rückkehr ist dann Mono weg, sein Boot unbewegt. Stunden später taucht Mono wieder auf - er war auch was essen. Das Liegeplatzproblem wird jetzt anders gelöst: Mono vertäut die „Mago del Sur“ am Stegende. Den 1 Meter breiten Spalt überbrückt er elegant mit zwei zuammengebunden Brettchen. Gesamtbreite 20 cm. Irgendwie kommen trotzdem alle 4 Harleys ohne Tauchgang auf Boot. Vertäuen und gut festschnallen - im Kanal kann‘s ungemütlich werden. Kurz nach Mitternacht tuckert dann die „Mago“ mit amtlicher Erlaubnis aus dem „Hafen“, vorbei am Kreuzfahrtschiff Bremen. Draußen auf dem Kanal wird es schlagartig frisch. Der Wind beschleunigt auf 60 Knoten! Mit ungefähr dieser Geschwindigkeit will bald auch Pauls Pizza über Bord. Die Biker auf dem Boot bleiben bleich bis grün und schön unter Deck. Große Erleichterung macht sich breit, als nach statt geplanten 5 schon 3 Stunden später wieder Hafenlichter aufblinken. Langsam tuckert die Mago del Sur wieder an einem riesigen Kreuzfahrtschiff vorbei - der Bremen. Mono hatte also auf die seemänische Erfahrung verzichtet, vier Harleys in der Mitte des Beagle Channels zu versenken und war umgekehrt. Und die 4 Patagonischen Reiter feiern die Wiedergeburt ihrer Maschinen bei einem ausgedehnten Barbeque.

Am nächsten Tag bleibt grade noch Zeit, ein paar Geschenke zu besorgen und schon geht‘s zurück. Zu kurz für großen Abschiedsschmerz.

Hasta luego Argentina y Chile, muchas gracias por una aventura inolvidable!